Teilprojekt Spitzahorn
Ziele dieser Studie sind
• Einholung grundlegender Informationen über die vorhandene Populationsstruktur und genetische Vielfalt.
• Erarbeitung einer Liste von Populationen des Spitzahorns, die als Erntebestände genutzt werden können.
• Die Anlage eines Klonarchives für den Spitzahorn, in der ein wichtiger Teil der genetischen Vielfalt in Österreich gesichert wird.
• Schaffung der wissenschaftlichen Grundlagen für die Anlage von Plantagen, die die zukünftige Saatgutversorgung mit heimischem, genetisch breit gestreutem Material in Österreich sichern soll.
Vorgangsweise:
Im Jahr 2019 wurden in Österreich 869 Individuen vom Spitzahorn erfolgreich beprobt, weitere 264 Proben stammten aus dem Ausland. Die österreichischen Proben stammten aus dem gesamten Verbreitungsgebiet der Art im Land und wurden 27 Populationen zugeordnet. (teilweise wurden die Proben über ein größeres Gebiet gesammelt und regional zu Populationen zusammengefasst; der Großteil der Populationen war aber räumlich deutlich abgegrenzt). Auch der zum Beprobungszeitraum einzige zugelassene Saatguterntebestand SpAh1 (8.1/ko) wurde beerntet (Eigentümer: Stiftung Fürst Liechtenstein, Forstbetrieb Wilfersdorf). Die Proben aus dem Ausland stammten teilweise von Probekäufen in Baumschulen (ca. 100 Proben, 2 Herkünfte je aus Deutschland und Ungarn), sowie von Kollegen, die uns die Proben dankenswerterweise kostenlos zugeschickt haben (Bosnien, Estland, Finnland). Eine Übersicht über die gesammelten österreichischen Proben findet sich in der Tabelle, grafisch sind die Lokalitäten in der folgenden Abbildung dargestellt.
Population | Bundesland | Anzahl der Proben |
Potentielle Plusbäume |
Blasnitzen | Kärnten | 9 | 5 |
Frantschach | Kärnten | 7 | 0 |
Griffen | Kärnten | 9 | 1 |
Illitsch | Kärnten | 16 | 3 |
Sternberg | Kärnten | 24 | 6 |
Trögern | Kärnten | 2 | 0 |
Vorderberg | Kärnten | 24 | 6 |
Dobra (Naturwaldreservat, NWR) | Niederösterreich | 30 | 9 |
Falkenstein | Niederösterreich | 18 | 1 |
Freyensteiner Donauwald (NWR) | Niederösterreich | 30 | 2 |
Geißberg - Merkenstein (NWR) | Niederösterreich | 30 | 4 |
Grünbach | Niederösterreich | 33 | 3 |
Kardinalgraben (NWR) | Niederösterreich | 40 | 6 |
Kolmberg (NWR) | Niederösterreich | 30 | 2 |
Luxensteinwand (NWR) | Niederösterreich | 32 | 7 |
Mausoleum (NWR) | Niederösterreich | 30 | 8 |
Mühlgraben (NWR) | Niederösterreich | 30 | 12 |
Pernitz | Niederösterreich | 11 | 2 |
Seebenstein | Niederösterreich | 38 | 8 |
Tulln | Niederösterreich | 3 | 0 |
Falkenau | Oberösterreich | 15 | 1 |
Landsberg | Oberösterreich | 30 | 1 |
Marsbach (NWR) | Oberösterreich | 20 | 1 |
Mitterberg (NWR) | Oberösterreich | 30 | 6 |
Staff (NWR) | Oberösterreich | 30 | 2 |
Salzkammergut | Salzburg / OÖ / Stmk. | 30 | 1 |
Tennengau | Salzburg | 30 | 2 |
Zams | Tirol | 20 | 0 |
Bezau | Vorarlberg | 30 | 5 |
Bromatsreute (NWR) | Vorarlberg | 9 | 1 |
Eichenberg | Vorarlberg | 21 | 8 |
Freurüti (NWR) | Vorarlberg | 10 | 0 |
Schruns | Vorarlberg | 17 | 1 |
Zwurms (NWR) | Vorarlberg | 20 | 2 |
Schönbrunn | Wien | 28 | 2 |
Summen | 786 | 118 |
Von jedem besammelten Individuum wurden drei Kambiumproben gewonnen (wenn vom Eigentümer gewünscht, wurden die Wunden mit Wundverschlussmittel behandelt), sowie BHD gemessen bzw. Höhe, Stammform und Vitalität gutachtlich erhoben. Ein Mindestabstand von 30 m zwischen den Probebäumen wurde eingehalten, um zu verhindern, dass verwandte Individuen gesammelt wurden. Von jedem beprobten Baum wurde ein Foto gemacht und die GPS-Koordinaten erhoben. Im Feld wurde auch bereits festgelegt, ob der betreffende Baum als Plusbaum für das Klonarchiv geeignet war. Insgesamt wurden für die Probensammlung vom Spitzahorn über 60 Außendiensttage gebraucht.
Die besammelten Individuen des Spitzahorn stellen eine repräsentative Stichprobe aus allen Teilen des österreichischen Verbreitungsgebietes dar. Die Proben wurden mittels genetischen Markern (Mikrosatelliten) untersucht, welche im Projekt speziell für die Baumart Spitzahorn entwickelt wurden.
Auf Basis der molekularbiologischen Untersuchungen war es möglich, die genetische Vielfalt zu beurteilen und eine Einteilung in Populationsgruppen vorzunehmen, die die natürlichen Muster der nacheiszeitlichen Einwanderung widerspiegeln. Diese Ergebnisse können in Folge wiederum für die Auswahl von Saatguterntebestände bzw. für die Anlage eines entsprechenden Klonarchivs genutzt werden.
Das Klonarchiv sollte ca. 100 Klone aus dem gesamten Verbreitungsgebiet der Art in Österreich umfassen, und so ein Genreservoir und einen Querschnitt über die gesamte Bandbreite der genetischen Variation der Baumart Spitzahorn darstellen. Die notwendigen Veredelungsarbeiten (Pfropfung) wurden im Versuchsgarten Tulln durchgeführt.
Ergebnisse:
Für die genetische Analyse der 869 Proben aus 27 Populationen kamen 15 Mikrosatelliten-Marker zum Einsatz. Aufgrund der zerstreuten Verbreitung wurden in einigen Regionen für die Auswertungen mehrere Vorkommen zu einer Population zusammengezogen.
Die Datenanalyse wurde mit individuenbasierendem Clustering mittels der Software STRUCTURE durchgeführt. Dabei werden die Proben basierend auf der Allelverteilung zwischen den Individuen in eine vordefinierte Anzahl von Gruppen unterteilt (die Gruppenanzahl wurde für den Datensatz mit 9 als optimal bestimmt). Die statistischen Kenngrößen zur genetischen Vielfalt der Populationen wurden mit der Software GenAlex berechnet.
Die Graphik zeigt die Gegenüberstellung der Elektropherogramme von zwei Individuen (oben und unten), die sich klar durch die Lage der Peaks unterscheiden lassen können. Dargestellt sind vier verschiedene Marker (in blau, schwarz, rot und grün).
Die Ergebnisse der genetischen Untersuchungen zeigten, dass ein Großteil der untersuchten Bestände eine hohe genetische Vielfalt aufwies; der entsprechende Kennwert lag im Schnitt bei 0.70 (erwartete Heterozygotie, ist der Anteil der Mischerbigen Individuen). Dieser Wert liegt im oberen Bereich für ein Laubbaumart. Auch im Vergleich des „Allelreichtums“ waren die heimischen Populationen generell einheitlich, hier lag der Durchschnittswert bei etwa 5.1 (dieser Wert ist nur relativ im Vergleich zwischen den Populationen zu werten und stellt keine Kenngröße an sich dar).
Auffällig war die schnell erkennbare Differenzierung der Populationen aus dem Westen Österreichs (Vorarlberg, Tirol), sowohl bei den Werten der genetischen Vielfalt als auch bei der individuenbasierten Gruppenzuordnung. Die westösterreichischen Populationen waren in der letzteren Analyse stets stark vom Rest Österreichs getrennt und generell war die genetische Vielfalt etwas geringer als weiter östlich (0.70 vs. 0.73). Diese Unterschiede in der genetischen Zusammensetzung in Westösterreich können als Hinweis auf unterschiedliche nacheiszeitliche Einwanderungswege gesehen werden.
Generell war aber die Populationsdifferenzierung insbesondere in Ost- und Südösterreich nur schwach ausgebildet; auch die Proben aus Deutschland und Ungarn unterschieden sich nur geringfügig in der genetischen Zusammensetzung von den ost-österreichischen; hier kann davon ausgegangen werden, dass die Baumart einst eine kontinuierliche Verbreitung hatte und bis heute einen großen Teil ihrer genetischen Vielfalt behalten konnte, obwohl sie heute nur noch stark fragmentiert vorkommt.
Im Vergleich dazu waren die Populationen aus Bosnien-Herzegowina deutlich von den anderen mitteleuropäischen Populationen verschieden, sie zeigten auch insgesamt die höchsten Werte der genetischen Vielfalt und könnten in Zukunft eine wichtige Genreserve darstellen. Im Kontrast dazu waren sowohl die Populationen aus Finnland wie Estland genetisch verarmt, mit deutlich geringerer genetischer Vielfalt. Der Spitzahorn erreicht in Nordeuropa seine Verbreitungsgrenze, daher ist es nicht überraschend, dass an der Verbreitungsfront eine gewisse „Verdünnung der genetischen Ressourcen“ feststellbar ist. Ähnliche Ergebnisse wurden auch schon von Rusanen et al. 2003 (Can. J. For. Res. 33: 1110–1115) berichtet.
Ergebnisse der genetischen Vielfalt des Spitzahorns in Österreich basierend auf den Daten von 27 natürlichen Populationen. Zum Vergleich wurden auch Proben aus Deutschland, Ungarn, Finnland, Estland und Bosnien-Herzegowina miteinbezogen. Dabei wurden die Einzelindividuen einer Population basierend auf ihrem genetischen Profil Verwandtschaftsgruppen zugeordnet. Die Verwandtschaftsgruppen sind durch gleiche Farbgebung erkenntlich.
Auffallend waren allerdings zwei österreichische Populationen (1 in Niederösterreich, 1 in Kärnten) die sich sowohl in der Populationszuordnung als auch in ihrer geringen genetischen Diversität stark von den übrigen Populationen unterschieden (erwartete Heterozygotie bei 0.64). Hier wurde vermutet, dass die Populationen entweder künstlich begründet wurden bzw. von sehr wenigen Mutterbäumen abstammten. Um dies näher zu untersuchen wurden mittels der Software COLONY die Verwandtschaftsverhältnisse innerhalb der beiden Population im Detail untersucht. Ein Teilergebnis davon ist in der Abbildung Vergleich Verwandtschaftsstruktur dargestellt. Dabei zeigte sich im Vergleich zu natürlichen Populationen, dass in den beiden auffälligen Probekollektiven ein sehr starker Überhang an Vollgeschwistern vorhanden war. Die weiteren Untersuchungen zeigten, dass die Ausgangspopulation weit unter zehn Mutterbäumen betragen hatte; d.h. beide Bestände stammten von weniger als zehn Mutterbäumen ab. Während in einem Fall eine künstliche Begründung festgestellt werden konnte, war in zweiten Fall eher ein ruderaler Ursprung der Population anzunehmen. Diese beiden Bestände schieden daher als Kandidaten für Erntebestand bzw. Generhaltungswald aus.
Dieses Beispiel verdeutlicht wie wichtig genetische Untersuchungen sein können, um derartige Phänomene nachweisen zu können. Daher sollte künftig, wann immer möglich, vor einer Erntezulassung auch eine Untersuchung der genetischen Vielfalt durchgeführt werden. Dies gilt insbesondere für die zerstreut vorkommenden Baumarten und wird teilweise schon vom Amt für Waldgenetik in Bayern routinemässig durchgeführt. Durch die Sammlung von Klonen in einer Region und die Anlage von Samenplantagen kann ebenfalls die Gewinnung von Vermehrungsgut aus genetisch verarmten Beständen vermieden werden.
Vergleich Verwandtschaftsstruktur natürlicher Bestand (links) und angelegter Bestand (rechts). Halbgeschwister (ein Elternteil gleich) sind grün, Vollgeschwister (beide Elternteile gleich) sind orange dargestellt. Während der natürliche Bestand nur geringe Verwandtschaft innerhalb der untersuchten Population anzeigt, überwiegen im gepflanzten Bestand die Vollgeschwister; d.h. hier wurde Vermehrungsgut verwendet, das nur sehr geringe genetische Vielfalt aufweist!
Klonarchiv Spitzahorn
Die Auswahl der Plusbäume wurde so getroffen, dass sie hohen Qualitätskriterien (Wuchs, Vitalität, etc.) entsprechen, andererseits aber auch eine repräsentative Stichprobe der genetischen Vielfalt der Population vor Ort darstellen. Auf diese Weise wurden insgesamt 118 Plusbäume ausgewählt. Von 92 dieser 118 potentiellen Plusbäumen konnten erfolgreich Edelreiser für die Anlage des Klonarchivs gewonnen werden. Dafür wurden die meisten Bäume mit Baumsteigern erklettert. Unmittelbar darauf wurden die frischen Reiser im Versuchsgarten Tulln des BFW im Frühjahr auf geeignete Spitzahorn-Unterlagen veredelt (20fach pro Klon), welche mittlerweile zum Großteil gut angewachsen sind. Die Pflanzung auf den Endstandort des Klonarchives erfolgt im September 2021. Dieses Klonarchiv steht langfristig für die Anlage von Samenplantagen zur Verfügung und stellt damit eine wichtige Genreserve für die Baumart Spitzahorn in Österreich dar.